Persönlicher Kommentar
Wann der Spaß aufhört
Unser Anspruch auf „gutes Leben“ wird besonders deutlich an Geburtstagen und zum Jahreswechsel. Eine Wunschkaskade setzt sich da in Bewegung – „Alles Gute“! Selbst im rasch hingesagten „Gutes Neues!“ findet sich das gute Leben noch ein wenig angedeutet.
Für demokratische Gesellschaften gilt aber, dass der schöne Begriff des „Guten“ Konfliktstoff enthält. Es gibt wohl nur über Weniges eine selbstverständliche Einigkeit. Selbst über ein so allgemein anerkanntes Gut wie „den Frieden“ kann man sich ganz schnell und sehr tief zerstreiten: Frieden ohne Freiheit und Selbstbestimmung? Frieden um jeden Preis? Frieden ohne oder mit Waffen? Auch das Leben selbst gerät sehr oft ins Debattenfeuer: Nicht nur sein Anfang, auch das Ende gibt sehr viel Gelegenheit zum Dissens.
Da es die große Einigkeit in Demokratien also nicht gibt, muss man sich vor allem wünschen, den Widerspruch in einer offenen Gesellschaft auszuhalten. Ich muss damit leben, dass andere die Dinge ganz anders sehen. Das ist nicht leicht. Was die einen fast in die Verzweiflung treibt, verschafft anderen Befriedigung. Kaum auszuhalten ist das manchmal - aber es ist Demokratie. Nur totalitäre Gewaltsysteme präsentieren sich „geschlossen“ … und das im wahrsten Sinne des Wortes!
So wünsche ich uns allen für das kommende Jahr eine offene, interessierte und konfliktbereite Grundhaltung: Sag mir, was dir wichtig ist, was dich nervt und was dich glücklich macht. Hör mir zu, wenn ich meine Sicht zu erklären versuche. Gib uns die Chance, Gemeinsamkeiten zu entdecken und Gegensätze nicht zu verharmlosen. Lass uns die Demokratie pflegen.
Wenn aber jemand hartnäckig meint, wir könnten auf Artikel 1 des Grundgesetzes und auf die Kernaussagen des Artikel 20 verzichten, dann hört der Spaß auf. Nicht alles ist gut, nur weil es jemand für gut hält.
Wichtiger Hinweis:
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